Es war der fünfte Geburtstag seines Enkels Kai. Opa Heinrich schenkte ihm ein Kinderbuch über den Mond und die Sterne. Nach dem Kuchen und den vielen Glückwünschen suchten Opa Heinrich und sein Enkel Kai die Terrasse auf.
Sie schauten in den klaren Winterhimmel, und Opa Heinrich zeigte Kai den Großen Wagen und die Venus. Viel wusste er nicht, aber auf ein paar Sternbilder konnte er doch deuten.
„Da!“, rief Kai ganz aufgeregt. „Opa, da – eine Sternschnuppe!“
Opa Heinrich fragte lächelnd, ob er sich etwas gewünscht habe.
„Warum, Opa?“, fragte Kai.
„Wenn man eine Sternschnuppe sieht, darf man sich etwas wünschen. Der Wunsch geht dann in Erfüllung. Man muss ihn aber für sich behalten und darf ihn niemandem verraten – sonst wirkt er nicht“, erklärte ihm Opa Heinrich.
Kai schloss kurz die Augen und sagte: „Okay, ich habe mir ganz fest etwas gewünscht.“
Opa meinte: „Dann geht es bestimmt in Erfüllung.“
Sein Enkel Kai wurde ein richtiger kleiner Astronom. Mit Begeisterung studierte er die Sternbilder. Zu seinem zehnten Geburtstag bekam er von Opa Heinrich ein richtiges Teleskop. Gemeinsam schauten sie oft in den Sternenhimmel, und manchmal besuchten sie eine Sternwarte oder das Planetarium.
„Wir bestehen alle aus Sternenstaub“ – das faszinierte Kai.
Und so vergingen die Jahre. Opa Heinrich wurde immer älter – ja, er wurde sehr alt.
An seinem 100. Geburtstag, nach unzähligen Glückwünschen und Laudationen, kam am Abend sein Enkel Kai und besuchte seinen Großvater. Er hatte eine weite Anreise von seinem Studienort hinter sich. Natürlich hatte er sich in Astrophysik eingeschrieben.
„Lieber Opa, alles Liebe zu deinem Hundertsten!“, wünschte Kai.
„Danke, lieber Kai. Ist das nicht unglaublich? Dein Opa – 100! Diese Handvoll Sternenstaub ist 100 geworden. Für mich immer noch unfassbar. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“
„Für mich war das immer klar, Opa“, sagte Kai.
„Quatsch, unvorstellbar ist das“, entgegnete Opa Heinrich.
„Nein, Opa, für mich war es immer vollkommen klar, dass du 100 wirst.
Kannst du dich noch an meinen fünften Geburtstag erinnern – und an die Sternschnuppe? Und was du gesagt hast, mit den Wünschen und so?
Du sagtest, was man sich ganz fest wünscht und niemandem erzählt, geht in Erfüllung.
Nun kann ich es erzählen – es ist ja in Erfüllung gegangen.
Ich wünschte mir, dass du 100 wirst“, erzählte Kai.
Opa Heinrich war sprachlos und gerührt. Er schüttelte den Kopf und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Du bist das beste Geschenk, das man sich vorstellen kann, lieber Kai. Du hast deinem Opa all die Jahre nicht nur so viele schöne Momente geschenkt, sondern auch noch Lebenszeit“, freute sich der gerührte Opa. „Naja“, meinte Kai, „ich wollte halt meinen lieben Opa so lange haben, wie es irgendwie möglich ist. Jetzt musst du selbst ein bisschen auf dich aufpassen – ich will ja noch viele Jahre mit dir in den Sternenhimmel schauen